Das Turiner Grabtuch, ein Leinentuch mit dem Bild eines bärtigen Mannes, ist seit Jahrhunderten Gegenstand von Faszination und Kontroversen. Während die einen glaubten, das Tuch habe dazu gedient, den Leichnam Jesu einzuwickeln, hielten andere es für einen mittelalterlichen Schwindel. Können moderne Analyseverfahren Klarheit schaffen?
Neuere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das Tuch doch etwa 2.000 Jahre alt ist, was mit der Zeit übereinstimmen würde, in der Jesus gelebt haben soll. Historiker gehen davon aus, dass Jesus im Jahr 33 n. Chr. gekreuzigt wurde.
Röntgenuntersuchung des Grabtuchs
Wie die SUN gestern berichtete, haben italienische Forscher das Alter des Leinentuchs mit Hilfe modernster Röntgentechnik analysiert. Das Institut für Kristallographie des Nationalen Forschungsrats untersuchte acht kleine Stoffproben und konzentrierte sich dabei auf die feinen Details der Struktur und der Zellulosemuster des Leinens. Das Alter des Tuches wurde demnach anhand spezifischer Alterungsparameter wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit auf circa 2.000 Jahre bestimmt.
Die Studie, auf die sich die SUN bezieht, wurde bereits 2022 veröffentlicht, ihre Ergebnisse sind unter dem Titel X-ray Dating of a Turin Shroud’s Linen Sample online abrufbar.
C14-Datierung
Frühere Forschungen aus dem Jahr 1988 hatten mit Hilfe der Radiokohlenstoffdatierung festgestellt, dass das Grabtuch zwischen 1260 und 1390 hergestellt wurde, was auf eine mittelalterliche Entstehungszeit hindeutete. Das Turiner Grabtuch wird seit 1578 in der Königskapelle der Kathedrale San Giovanni Battista in Turin, Italien, aufbewahrt, woher auch der Name der Reliquie stammt.
Das Turiner Grabtuch
Biblische Berichte identifizieren Joseph von Arimathäa als den Mann, der den Leichnam Jesu in Leinen wickelte und in ein Grab legte.
Das Bild auf dem Grabtuch zeigt einen Mann mit eingefallenen Augen, dessen Größe auf 1,70 bis 1,80 Meter geschätzt wird. Forscher haben am Körper Wunden identifiziert, die mit den in der Bibel beschriebenen Kreuzigungswunden übereinstimmen. Außerdem fanden sich Spuren einer Dornenkrone, Wunden an Armen und Schultern sowie Schnitte auf dem Rücken.
Untersuchungsmethoden in der Archäologie
In der Archäologie werden verschiedene Methoden verwendet, um das Alter, die Herkunft und die kulturellen Zusammenhänge von Artefakten und Stätten zu bestimmen. Diese Verfahren lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen, je nach ihrem Einsatzbereich und den gewonnenen Erkenntnissen.
Datierungsmethoden
Diese Methoden dienen der Altersbestimmung von archäologischen Funden und Materialien:
- C14-Datierung (Kohlenstoffdatierung):
Bestimmt das Alter von organischen Materialien anhand des Zerfalls des radioaktiven Kohlenstoffisotops C14. Geeignet für Materialien, die bis zu 50.000 Jahre alt sind. - Dendrochronologie (Baumringdatierung):
Diese Untersuchungsmethode nutzt Jahresringe von Bäumen zur Altersbestimmung von Holzartefakten. Jeder Ring entspricht einem Jahr Wachstum und liefert genaue klimatische Informationen. Die Dendrochronologie kann in der Regel bis zu etwa 10.000 Jahre zurückverfolgen, in einigen Regionen, darunter Europa, bis zu 12.000 Jahre oder mehr. - Thermolumineszenz:
Misst die Lichtemission von erhitzten Keramiken, um das letzte Mal zu datieren, als das Material gebrannt wurde. Geeignet für Keramiken und andere gebrannte Materialien. - Obsidian-Hydratationsdatierung:
Bestimmt das Alter von Obsidian-Artefakten durch Messung der Hydratschicht, die sich nach dem Schnitt oder Bruch bildet. - Optisch stimulierte Lumineszenz (OSL):
Misst das letzte Mal, als mineralische Sedimente dem Sonnenlicht ausgesetzt waren, und bestimmt das Alter von Sand und Sedimentschichten. - Aminosäuredatierung:
Nutzt die Racemisierung von Aminosäuren zur Bestimmung des Alters fossiler Knochen, Muscheln und Zähne. Geeignet für Proben bis zu einigen Millionen Jahren.
Analytische Methoden
Diese Methoden werden zur Untersuchung der Zusammensetzung und Struktur von archäologischen Materialien eingesetzt:
- Materialanalyse:
Bestimmt die chemische Zusammensetzung von Artefakten, wie Münzen oder Skulpturen, um die Herkunft von Materialien und Handelsnetzwerke zu rekonstruieren. - Pigmentanalyse:
Analysiert Farbpigmente auf antiken Objekten, um verwendete Farben und Farbstoffe in der Antike zu identifizieren. Zeigt beispielsweise, dass griechische Plastiken farbig waren. - Elektronenspinresonanz (ESR):
Verwendet zur Datierung von Zähnen, Muscheln und anderen mineralhaltigen Materialien durch Messung der Anzahl gefangener Elektronen in Mineralen.
Bildgebende und strukturierende Verfahren
Diese Methoden visualisieren Details und Strukturen von archäologischen Objekten:
- Röntgenanalyse:
Untersucht die innere Struktur von Artefakten, wie Metallen oder Geweben, ohne sie zu beschädigen, und hilft, Herstellungsverfahren und den Zustand von Materialien zu analysieren. - Streiflichtfotografie:
Beleuchtet Objekte unter einem schrägen Winkel, um feinste Details der Oberflächenstruktur sichtbar zu machen. Verwendet für die Untersuchung von Oberflächendetails auf antiken Objekten.
Klassische archäologische Methoden
Diese traditionellen Methoden konzentrieren sich auf die Analyse und Interpretation von Artefakten und ihren kulturellen Kontext:
- Stratigraphie:
Eine relative Datierungsmethode, die auf der Analyse von Erdschichten basiert. Jüngere Schichten liegen über älteren, was eine Bestimmung des relativen Alters von Funden ermöglicht. - Formanalyse und Stilkritik:
Analysiert die Form und den Stil von Artefakten, um kulturelle und zeitliche Kontexte zu bestimmen. Essenziell für das Verständnis kultureller Entwicklungen und künstlerischer Einflüsse.
Spezialisierte biologische Methoden
Diese Methoden analysieren biologische Überreste, um Informationen über vergangene Lebensbedingungen und Ernährung zu erhalten:
- Archäobotanik:
Untersucht pflanzliche Überreste aus archäologischen Stätten, um Erkenntnisse über Ernährung, Landwirtschaft und Umweltbedingungen vergangener Gesellschaften zu gewinnen. - Pollenanalyse (Palynologie):
Analysiert fossile Pollen, um Informationen über Vegetation und Klima vergangener Zeiten zu gewinnen und hilft, Umwelteinflüsse und menschliche Aktivitäten zu rekonstruieren.
Foto: Grabtuch – Wikimedia, Rudolf Berwanger; Kathedrale Turin – Wikimedia, Eccekevin, CC-BY-SA-4.0